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Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16 (2008)
                       

Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.):

Annäherungen an das Fremde.
Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext.

Psychosozial Verlag: Gießen 2008

 

Pädagogen geraten immer wieder in Situationen, die Befremden und Irritationen auslösen. Es ist dann ihre Aufgabe, sich um das Verstehen dessen zu bemühen, was in solchen Situationen vor sich geht, um ihr weiteres Arbeiten darauf abstimmen zu können.
Das Bild des psychoanalytischen Pädagogen, der sich in solchen Situationen wie ein Ethnologe verhält, steht im Zentrum des Buches. Das Verstehen von Lernschwierigkeiten, sexuellen Problemen von Jugendlichen, von Organisationen und interkulturellen Konflikten wird in Hinblick auf Pädagogik ebenso diskutiert wie Möglichkeiten der Förderung der Kompetenz, sich für Fremdes zu interessieren und Fremdes zu verstehen. Durchgängig wird gezeigt, welche Bedeutung dabei den Gefühlen der Pädagogen zukommt. In allen Beiträgen werden Fallbeispiele präsentiert und diskutiert.

Inhalt des Jahrbuchs für Psychoanalytische Pädagogik 16 (2008):

Hoanzl, Martina:

Befremdliches, Erstaunliches und Rätselhaftes. Schulische Lernprozesse bei »Problemkindern«.

In: Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.): Annäherungen an das Fremde. Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext. Psychosozial-Verlag: Gießen 2008 [Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16], 16-35

Abstract: Lernen ist nicht gleichzusetzen mit »Merken«. Wirkliches Lernen geschieht immer dann, wenn wir etwas »dauerhaft verinnerlichen«. Und was von »Außen« nach »Innen« wandert, passiert persönliche Grenzen. Dabei kommt zwangsläufig das Eigene und Eigenwillige ins Spiel, das oftmals befremdlich bzw. rätselhaft wirkt. Doch wie passen solche »Begleiterscheinungen« in einen »störungsfreien Unterricht«? Der vorliegende Beitrag verdeutlicht, dass sogenannte »Lernschwierigkeiten« auf hochgradig eigenwilligen und befremdlichen Phänomenen beruhen können. Und darüber hinaus wird erkennbar, welche Chancen sich generell für Lernprozesse eröffnen, wenn das »Fremde« als pädagogische Herausforderung begriffen werden kann.

Müller, Burkhard:

Sexualkunde in der Jugendarbeit. Ein Beitrag zu einer ethnopsychoanalytisch inspirierten Ethnographie.

In: Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.): Annäherungen an das Fremde. Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext. Psychosozial-Verlag: Gießen 2008 [Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16], 36-52

Abstract: Der Beitrag zeigt anhand von ethnographischem Fallmaterial aus Forschungsprojekten im Feld der Kinder- und Jugendarbeit die Notwendigkeit, aber auch die Schwierigkeiten und prekären Bedingungen des Gelingens sexualpädagogischer Arbeit mit pubertierenden Jungen und Mädchen. Beispiele von »Abwehrstrategien gegen die Angst, die die eigenen Daten erregen« (Devereux), werden ebenso diskutiert wie praktische Ansätze zu einer kreativen Bewältigung.

Dörr, Margret:

»Jo ei, ich bin halt in Russland geboren, Kaukasus«. Biographische Deutungsmuster eines jugendlichen Spätaussiedlers und ihre Passung zu sozialpädagogischen Handlungsmustern eines Jugendmigrationsdienstes .

In: Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.): Annäherungen an das Fremde. Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext. Psychosozial-Verlag: Gießen 2008 [Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16], 53-71

Abstract: Jugendliche Migrantinnen und Migranten stehen in der Adoleszenz besonderen Anforderungen und Entwicklungsaufgaben gegenüber. In diesem Beitrag wird die Kurzbiographie eines aus Kaukasien stammenden und in Deutschland lebenden Jugendlichen dargestellt. Anhand dieses Fallbeispiels werden biographische Deutungsmuster herausgearbeitet und aufgezeigt, welche Anforderungen sich für den Adoleszenten vor dem Hintergrund der Migration ergeben. Zudem wird von einem Jugendmigrationsdienst berichtet, dessen Ziel es ist, eingewanderte Jugendliche und junge Erwachsene bei der Eingliederung zu unterstützen. Unter Bezugnahme auf ein Experteninterview mit einer Sozialpädagogin des Jugendmigrationsdienstes wird der Frage nachgegangen, welcher Stellenwert biographischen Deutungsmustern in der professionellen Arbeit eines solchen Migrationsdienstes zukommt.

Büttner, Christian:

Differenzen aushalten lernen. Grundsätzliches und Kasuistisches zur Entwicklung von interkultureller Sensibilität.

In: Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.): Annäherungen an das Fremde. Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext. Psychosozial-Verlag: Gießen 2008 [Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16], 72-91

Abstract: In Anlehnung an M. Bennets Annäherung an eine differenzierte Beschreibung des vielschichtigen Spektrums zwischen »Integration« und »Desintegration« beschreibt der Autor sechs Stadien interkultureller Sensibilität und stellt verschiedene Aspekte psychosozialer Entwicklung dar, die darauf Einfluss nehmen, ob und in welcher Weise »dem Fremden« Angst oder Neugierde entgegengebracht wird. Unter Bezugnahme auf gruppenpsychoanalytische Ansätze beleuchtet der Autor in diesem Zusammenhang in zwei weiteren Schritten die enge Verschränkung zwischen der Entwicklung von Individuen und der Dynamik, die sich in formellen und informellen Gruppen in Hinblick auf die Begegnung und Auseinandersetzung mit Fremdheit und Differenz ausmachen lässt. Vor diesem Hintergrund stellt er dar, in welcher Weise in Gruppensettings an der Entwicklung von interkultureller Sensibilität gearbeitet werden kann, welche Rahmenbedingungen es in diesem Kontext zu beachten gilt und welche emotionalen Belastungen diese Art von Arbeit nach sich zieht. Dabei nimmt der Autor durchgängig auf Fallmaterialien Bezug.

Rohr, Elisabeth:

Ethnopsychoanalytische Erfahrungen in Guatemala. Über das Lehren und Lernen von interkultureller Kommunikation und die Bedeutung der Ethnopsychoanalyse für die Pädagogik.

In: Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.): Annäherungen an das Fremde. Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext. Psychosozial-Verlag: Gießen 2008 [Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16], 92-103

Abstract: Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ist seit vielen Jahren in Guatemala tätig und unterstützt und begleitet die Bevölkerung nach dem Bürgerkrieg in ihrem Friedens- und Versöhnungsprozess. In diesem Beitrag wird von einem Workshop für GTZ-MitarbeiterInnen berichtet, dessen Ziel es war, die interkulturelle Kommunikation zu verbessern und interkulturelle Kompetenz zu vertiefen. Im Beitrag wird unter Bezugnahme auf drei Fallbeispiele gezeigt, in welcher Weise im Rahmen dieses Workshops verschiedene Manifestationen von »kultureller Übertragung«, die zu Wahrnehmungsverzerrungen und damit verbundenen Kommunikationsproblemen führen, identifiziert, thematisiert und bearbeitet wurden. Die Autorin verdeutlicht, wie bedeutsam es in diesem Zusammenhang ist, den Irrungen und Wirrungen von Wahrnehmungsverzerrungen und kulturellen Übertragungsneigungen – unter Berücksichtigung aktualisierter Gegenübertragungsreaktionen – zu folgen, bis sich diese in Gestalt von Irritationen Ausdruck verschaffen und einer verstehenden Reflektion erschließen.

Seemann, Silke, Möller, Heidi:

Die Psychohistorie von Lloyd deMause als Schlüssel zur Organisationskultur.

In: Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.): Annäherungen an das Fremde. Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext. Psychosozial-Verlag: Gießen 2008 [Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16], 104-123

Abstract: Der Organisationskulturansatz gilt als zentraler Schlüssel zum Verständnis der Dynamik von Organisationen. In der Organisationskultur spiegeln sich unbewusste Bedeutungszusammenhänge wider. Kulturanalysen in Organisationen gewinnen dadurch zunehmend an Bedeutung. Kultur wird durch das Erzählen von Geschichten »transportiert«. Was liegt näher, als auch in der Analyse von Kultur mit Geschichten zu arbeiten? Die Kombination der Erhebung von Daten über arbeitsbiografische Erzählungen mit einem ebenfalls »erzählenden Analyseverfahren«, wie es die psychoanalytische ›Fantasy-Word-Method‹ Lloyd deMauses vorgibt, zeigt neue Wege der Annäherung an Organisationen und ihr Wissenspotenzial. In diesem Artikel werden Hintergründe und Durchführung eines solchen Forschungsprozesses geschildert.

Schmidt-Löw-Beer, Catherine:

Verschiedene Welten, verschiedene Wahrnehmungen. Das »unpersönliche Selbst«, der Überlebensmodus der Verleugnung und die Annäherung an die psychischen Strukturen von Jugendlichen in Ost und West.

In: Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.): Annäherungen an das Fremde. Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext. Psychosozial-Verlag: Gießen 2008 [Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16], 124-144

Abstract: Der vorliegende Beitrag handelt von einem Forschungsprojekt, in dem die Frage untersucht wurde, wie sich die Persönlichkeit und die Identität von Menschen, die im Kommunismus gelebt haben, von der Persönlichkeit und Identität jener Menschen unterscheiden, die in einer Demokratie aufgewachsen sind. Ein international zusammengesetztes Team von psychoanalytisch versierten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen untersuchte in diesem Zusammenhang Interviewmaterialien, die im Rahmen des Projekts in Gesprächen mit Jugendlichen aus Ost und West generiert wurden. Die Autorin stellt das Projektdesign dar; gibt Einblick in die emotionalen Reaktionen des Forscherteams auf die Interviewmaterialien, die als Gegenübertragungsreaktionen zu begreifen waren, deren Reflexion zu einem vertieften Verständnis der Interviews sowie zur Diskussion weitreichender methodologischer Fragen führte, und stellt das Konzept des »unpersönlichen Selbst« vor, das im Rahmen des Projekts entwickelt wurde und dazu diente, differenzierte Aussagen über die Jugendlichen in Ost und West zu machen. Ausschnitte aus drei Interviews werden in diesem Zusammenhang vorgestellt und kommentiert.

Eisenbach-Stangl, Irmgard, Eisenbach, Wolfgang:

Das äußere und innere Ausland. Manifeste und latente Botschaften in rechtsradikalen Texten.

In: Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.): Annäherungen an das Fremde. Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext. Psychosozial-Verlag: Gießen 2008 [Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16], 145-158

Abstract: Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem »inneren und äußeren Fremden« am Beispiel der »Bajuwarischen Befreiungsarmee (BBA)«, die zwischen 1993 und 1996 Briefe und Bomben versandt und die österreichische Bevölkerung sowie die österreichische Regierung lange intensiv beschäftigt hat. Die zwölf Briefe, die von der BBA verfasst und vorwiegend an Männer verschickt wurden, die der Öffentlichkeit angehören, wurden mit der Methode der psychoanalytischen Textinterpretation untersucht. Die Analyse zeigt, dass zentrale psycho-soziale Konflikte in ethnischen und sexuellen Konzepten gefasst wurden, wie das etwa auch bei rechtsradikalen Jugendlichen in der BRD beobachtet wurde. Abschließend werden die Unterschiede der BBA zu den Skinheads herausgearbeitet und gesellschaftliche Entwicklungen angesprochen, welche die Entstehung der beobachteten psycho-sozialen Konflikte begünstigen.

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Literaturumschau

Preiß, Holger:

Psychoanalyse und geistige Behinderung. Entwicklungen und pädagogische Impulse.

In: Datler, W., Finger-Trescher, U., Gstach, J., Steinhardt, K. (Hrsg.): Annäherungen an das Fremde. Ethnographisches Forschen und Arbeiten im psychoanalytisch-pädagogischen Kontext. Psychosozial-Verlag: Gießen 2008 [Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 16], 159-188

Abstract: In diesem Beitrag wird ein Überblick über vorhandene Literatur zum Themenbereich »Psychoanalyse und geistige Behinderung« mit besonderem Fokus auf pädagogischen Arbeiten gegeben. Beginnend bei historischen Beiträgen, die sich mit der Entstehung und gegebenenfalls therapeutischen Behandlung von »Schwachsinn«, »intellektuellen Hemmungen« und »Pseudo-Debilität« beschäftigen, wird in der Folge die Entwicklung hin zu pädagogischen Fragestellungen beschrieben. Die besonderen Verwicklungen im Bereich der Diagnosestellung und Möglichkeiten der frühen Arbeit mit Kind und Eltern werden genauso skizziert wie psychotherapeutische sowie pädagogische Fallvignetten und theoretische Entwicklungen. In einem abschließenden Ausblick wird eingefordert, den Dialog mit dem Mainstream der Geistigbehindertenpädagogik zu suchen sowie den psychoanalytischen Diskurs über Menschen mit geistiger Behinderung, ihre Therapie und Erziehung auch über die Grenzen des deutschen Sprachraums hinaus auszuweiten.

 

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