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Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 1 (1989)

                       

 

Trescher, H.-G., Büttner, Ch. (Hrsg.):

Matthias-Grünewald-Verlag: Mainz, 1989

Versuche, die Psychoanalyse in Theorie und Praxis für pädagogisches Handeln und Erziehungswissenschaft fruchtbar zu machen, haben eine etwa 8Ojährige, durchaus wechselvolle Tradition. Das Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik bietet jetzt ein zentrales Forum für den Dialog zwischen Erziehungswissenschaft, pädagogischer Praxis und Psychoanalyse. Es möchte dazu beitragen, die wissenschaftliche Fundierung und die Geschichte der Psychoanalytischen Pädagogik aufzuarbeiten, die Diskussion psychoanalytischer Sozialisationstheorie und Entwicklungspsychologie zu fördern und die Bedingungen und Methoden professionellen Handelns in den verschiedenen Praxisfeldern der Pädagogik aufzuzeigen.

Der vorliegende erste Band setzt sich neben der Diskussion der aktuellen wissenschaftstheoretischen Entwürfe vor allem mit sozial- und heilpädagogischen Fragestellungen auseinander.

Inhalt des Jahrbuchs für Psychoanalytische Pädagogik 1 (1989):

Datler,Wilfried und Bogyi, Gertrude:

Zwischen Heim und Familie.

In: Trescher, H.-G., Büttner, Ch. (Hrsg.): Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 1. Matthias-Grünewald Verlag: Mainz, 1989, 10-31

Abstract: Nach einer Einleitung, in der ein bestimmter Typus von Wohngemeinschaft charakterisiert wird, beschreiben die Autoren, welche förderlichen Arbeitsbedingungen und Arbeitsmöglichkeiten Erzieher vorfinden, wenn sie in solchen Wohngemeinschaften arbeiten. Daran schließt sich die Darstellung typischer Arbeitsprobleme und Arbeitsschwierigkeiten an, wobei auf vier Punkte besonders eingegangen wird: auf das Problem von Therapie und Pädagogik; auf die Schwierigkeiten, die sich aus der Tatsache ergeben, daß Erzieher und Klienten über einen längeren Zeitraum hinweg engen Kontakt miteinander halten; auf Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn Gruppenprozesse zu wenig beachtet werden; sowie auf das Problem des »AusgebranntSeins« vieler Erzieher. Abschließend werden Überlegungen angestellt, welche die Verbesserung von Aus- und Fortbildungsgängen betreffen. Insgesamt werden die Ausführungen durch viele Fall- und Praxisbeispiele illustriert.
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Wagner-Winterhager, Luise:

Heroische Mythen — Repressive Entsublimierung durch Gewalt-Videos?

In: Trescher, H.-G., Büttner, Ch. (Hrsg.): Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 1. Matthias-Grünewald Verlag: Mainz, 1989, 32-55

Abstract: Jugendliche Vielseher von Gewaltfilmen haben Ähnlichkeit mit dem bei Stierlin als »verdeckt Ausgestoßen« bezeichneten Typus von Jugendlichen. Es mangelt ihnen an fürsorglicher Geborgenheit ebenso wie an einem ehrenvollen Auftrag, einer Delegation, die ihnen Bedeutsamkeit für sich und andere verleihen könnte. Eskapistisch flüchten sie in die Faszination durch Filme mit heroisch-mythischen Geschichten, in denen die Wandlung von der »Schande« zur »Ehre« als »Drama von Stigma und Charisma« (Lipp) erzählt wird. Die mythischen Helden präsentieren in heroischer Einsamkeit Bilder für ein megelomanes Ich-Ideal, verbunden mit einer paranoiden Grundthematik. In vieler Hinsicht entspricht diese Filmwelt der inneren Welt narzißtisch Wütender, und zwar sowohl in der oknophilen wie in der philobaten Variante; sie kann gedeutet werden als eine Bilderwelt, die die Einsamkeit von latent Dissozialen verherrlicht. Eskapistische Fluchten in die Mythen von Reinigung und Erlösung des Selbst und der Gesellschaft durch heldisches Handeln funktionieren nach den Mechanismen der Faszination, wie sie H. Bernfeld untersucht hat. Faszination als primitive Stufe der Identifikation dient nicht der Ich-Veränderung, sondern der Angstabwehr, nach Winnicott werden innere Realität und depressive Angst abgewehrt, werden die inneren Objekte in einem Zustand zwischen Leben und Tod gehalten, reale Wandlung wird dadurch eher verhindert als befördert. Repressiv entsublimierend wirkt die Flucht in heroische Mythen narzißtisch Gekränkter, Vereinsamender dadurch, daß sie das Wuchern von Allmachtsphantasien stimuliert bei gleichzeitiger realer Marginalisierung der Betroffenen. Im Moment läßt sich die narzißtische Wut der Gekränkten vielleicht noch mit den Erzeugnissen einer offiziellen »fun-moral« beschwichtigen. Der Umschlag zu heroischen Selbstbeauftragung etwa in rechtsradikalen Gruppierungen ist aber eine Gefahr, die sehr ernstgenommen werden sollte.
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Göppel, Rolf:

Die Rezeption der Psychoanalyse in der Heilpädagogischen Bewegung der Weimarer Republik.

In: Trescher, H.-G., Büttner, Ch. (Hrsg.): Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 1. Matthias-Grünewald Verlag: Mainz, 1989, 56-73

Abstract: ausgehend von der Einschätzung, daß die Psychoanalyse ihre natürliche Domäne innerhalb des pädagogischen Feldes vor allem im Bereich der Heilpädagogik hat, wird untersucht, wie die heilpädagogische Bewegung der Weimarer Republik auf die psychoanalytische Herausforderung reagierte. Dabei wird deutlich, wie sehr die Heilpädagogik in ihrer ersten Blütephase auf psychiatrisch-konstitutionsbiologische Erklärungsmuster für psychosoziale Auffälligkeiten fixiert war. Der Begriff »Psychopathie« spielte damals als Leitbegriff eine ähnlich zentrale Rolle wie heute der Begriff »Verhaltensstörung«. Von seiten der maßgeblichen Vertreter der etablierten Heilpädagogik bestand eine recht deutliche Ablehnungsfront gegen die psychoanalytischen Versuche der Erklärung und der Behandlung solcher Störungen. Größere Aufgeschlossenheit gab es dagegen bei manch praktischen Heilpädagogen. Am Beispiel der Reaktion auf Aichhorns Buch »Verwahrloste Jugend« wird die Argumentationsstruktur der psychiatrischen Kritik an der Psychoanalyse näher untersucht. Zum Schluß wird schließlich die Frage aufgeworfen, warum die psychoanalytischen Pädagogen ihrerseits das herrschende Psychopathie-Konzept nicht offensiver in Frage gestellt haben.
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von Lüpke, Hans:

Psychodynamische Aspekte bei der »Minimalen cerebralen Dysfunktion« (»MCD«) — dargestellt an einem Fallbeispiel.

In: Trescher, H.-G., Büttner, Ch. (Hrsg.): Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 1. Matthias-Grünewald Verlag: Mainz, 1989, 74-89

Abstract: Die Gewißheit, das »MCD«-Syndrom auf eine hirnorganische Störung zurückführen zu können, hat für lange Zeit die diagnostischen und therapeutischen Konsequenzen bestimmt. Heute muß dieses Konzept als widerlegt angesehen werden. Paradoxerweise scheint am ehesten noch die psychoanalytische Ich-Psychologie eine gemeinsame Basis für die im »MCD«-Syndrom zusammengefaßten Symptome zu bieten. Der vorliegende Beitrag versucht anhand eines Beispiels diesen Ansatz zu erweitern. Dies geschieht auf der Basis eines familiendynamisch orientierten Konzepts in interdisziplinärer Teamarbeit. Die Fallstudie wurde vom Hessischen Sozialministerium und dem Landeswohlfahrtsverband Hessen im Rahmen des Projekts »Frühförderung« finanziert. Ute Guckes-Elzer hat an ihr mitgearbeitet.
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Mattner, Dieter:

Vom Sinn des Unsinnigen.

In: Trescher, H.-G., Büttner, Ch. (Hrsg.): Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 1. Matthias-Grünewald Verlag: Mainz, 1989, 90-100

Abstract: Ausgehend von einem Fallbeispiel werden Theoriebildungen der objektiven Wissenschaften zum sogenannten hyperkinetischen Verhalten dargestellt und auf deren Position innerhalb der philosophischen Leib-Seele-Problematik verwiesen. Im zweiten Teil wird eine Therapieform dargestellt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die menschliche cerebrale Steuerungsproblematik im Sinne einer »Minimalen cerebralen Dysfunktion« zu korrigieren. Schließlich wird im letzten Teil versucht, die Bedeutungsebene hyperkinetischen Verhaltens mittels psychoanalytischer Entwicklungstheorien auf dem individuellen Lebenshintergrund der betroffenen Menschen zu verstehen.
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Diem-Wille, Gertraud:

Karrierefrauen und Karrieremänner im Management.

In: Trescher, H.-G., Büttner, Ch. (Hrsg.): Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 1. Matthias-Grünewald Verlag: Mainz, 1989, 101-119

Abstract: Die Untersuchung der »inneren Realität« von Managerinnen und Managern ist Teil eines größeren Projektes, das mit psychoanalytischen Methoden den Prozeß der Entwicklung der Persönlichkeit im Erziehungsprozeß nachzeichnen will - und zwar innerhalb der Berufsgruppen der Manager und Universitätsprofessoren, differenziert nach dem Geschlecht. Zu Beginn wird die Methodik der psychoanalytisch-pädagogischen Forschung expliziert, indem mit narrativen Interviews und einem projektiven Zeichentest gearbeitet wird. Im zweiten Teil werden einige Aspekte des Vergleichs der untersuchten Stichprobe von Frauen und Männern im Management dargestellt. Exemplarisch wird anhand der Falldarstellungen die psychoanalytische Vorgehensweise beleuchtet, um abschließend einige Ergebnisse der Arbeit wie die Bedeutung der Identifikation mit einem Elternteil für den Antrieb zum beruflichen Erfolg zu skizzieren.
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Burkhard Müller:

Psychoanalytische Pädagogik und Sozialpädagogik

In diesem Beitrag wird eine Ortsbestimmung der Psychoanalytischen Pädagogik und ihres Verhältnisses zur Sozialpädagogik vor dem Hintergrund des allgemeineren Problems einer »Massenanwendung« (Freud) der Psychoanalyse entwickelt. Vier Optionen werden dabei diskutiert:

  1. die klassische Option der Sozialpädagogik, Psychoanalyse als Hilfswissenschaft zu benutzen und dabei ihre eigene »Medizinalisierung« in Kauf zu nehmen,
  2. Psychoanalyse als Methodologie der Selbstaufklärung, insbesondere sozialpädagogischen Handelns,
  3. Psychoanalyse als anthropologische Vertiefung und Korrektur sozialpädagogischer Handlungsentwürfe,
  4. Psychoanalyse als unentbehrliches Element einer Theorie gesellschaftlicher Schicksale von Subjektivität.

Burkhard Müller plädiert in Anknüpfung an Bernfeld für eine Integration dieser Optionen. Für die Sozialpädagogik werden insbesondere die Optionen zwei bis vier nicht als Außeneinflüsse, sondern als integrale Bestandteile ihrer Theoriebildung selbst betrachtet.
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Figdor, Helmuth:

»Pädagogisch angewandte Psychoanalyse« oder »Psychoanalytische Pädagogik«?

In: Trescher, H.-G., Büttner, Ch. (Hrsg.): Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 1. Matthias-Grünewald Verlag: Mainz, 1989, 136-172

Abstract: Es wird der Frage nachgegangen, ob das Konzept, »Psychoanalytische Pädagogik« als besondere Praxisform der Psychoanalyse zu begreifen, theoretisch haltbar ist. Um diese Frage systematisch prüfen zu können, wird zunächst der Zusammenhang der psychoanalytischen Theorie mit dem psychoanalytischen Erkenntnisprozeß wissenschaftstheoretisch analysiert; zweitens der Gegenstandsbereich der psychoanalytischen Konzepte diskutiert; und schließlich die Relation von »psychoanalytischer Methode«, »Technik« und Setting untersucht. Es zeigt sich, daß die Definition von »psychoanalytischer Praxis« durch das klassische psychoanalytische Setting theoretisch nicht zu rechtfertigen ist, daß Psychoanalyse auch im pädagogischen Feld stattfinden kann und daß mithin das fragliche Konzept einer »Psychoanalytischen Pädagogik« als gerechtfertigt anzusehen ist. Darüber hinaus wird der Geltungsbereich zentraler psychoanalytischer Konzepte (Unbewußtes, Abwehr, Konflikt, Trieb-, Struktur- und Objektbeziehungstheorie) abgesteckt und die Sichtung notwendiger theoretischer Weiterarbeit skizziert.
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Horvath, Maria und Scheidl-Trummer, Elisabeth:

Psychoanalytische Pädagogik seit 1983 — Eine Literaturübersicht.

In: Trescher, H.-G., Büttner, Ch. (Hrsg.): Jahrbuch für Psychoanalytische Pädagogik 1. Matthias-Grünewald Verlag: Mainz, 1989, 173-200

Abstract: In dieser Arbeit wird versucht, die Vielfalt an Beiträgen zum Themenkreis Psychoanalytische Pädagogik in der jüngeren deutschsprachigen Literatur zu verdeutlichen und zu ordnen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Herausarbeitung und Darstellung der verschiedenen, zum Teil kontroversen Ansätze zur Frage des wissenschaftstheoretischen Selbstverständnisses von Psychoanalytischer Pädagogik. Im weiteren wird versucht, beispielhaft Entwürfe zu psychoanalytisch-pädagogischen Handlungskonzepten darzustellen. Im Anschluß daran soll schließlich ein Überblick über das breite Spektrum von Arbeiten zu Möglichkeiten der Psychoanalytischen Pädagogik in den verschiedensten Praxisbereichen gegeben werden.
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